Das Thema „AfD – soziale Frage und Migration. Eine Alternative für Deutschland?“ stand im Mittelpunkt des zweiten Seminars unter dem Titel „Neonazismus und Menschenfeindlichkeit“, das am 5. Oktober 2017 im Kulturbüro Sachsen e. V. im Rahmen des Projektes „Kompetenz-Dialog-Teilhabe“ besprochen und diskutiert wurde.

In ihrem Vortrag hat Petra Schickert (Mobiles Beratungsteam Mitte-Ost, Kulturbüro Sachsen e.V.) am Beispiel der Themen „Soziale Fragen“ und „Migration“ analysiert, ob die Partei Alternative für Deutschland (AfD) eine Alternative für MigrantInnen ist. Für die TeilnehmerInnen war es interessant zu erkennen, dass die Partei bei der Wahlkampagne keine neuen politische Vorschläge anbietet, sondern sich deutlich zur rechts-konservativen Flanke der Gesellschaft positioniert, wo sich in der letzten Zeit die Unzufriedenheit vieler Leute konzentriert. Es ist z. B. gut sichtbar bei solchen Themen wie Festlegung des gesetzlichen Mindestlohns, Verbesserung der Familienpolitik oder Steuerung der Aufnahme von Migranten.

Der Vortrag hat einen guten Impuls gegeben, um in den kleinen Gruppen die Positionen der AfD genauer zu diskutieren und eine eigene Meinung zu erarbeiten. Die TeilnehmerInnen sollten dabei zwei Hauptfragen diskutieren:

  • Was ist für Sie an der AfD zustimmenswert? Welchen Positionen stimmen Sie zu?
  • Warum ist die AfD Ihrer Meinung nach nicht wählbar? Was lehnen Sie ab?

Die Gruppen notierten wesentliche Gedanken auf Karten und präsentierten diese im Plenum. Die eigene Position der TeilnehmerInnen zu den Fragen, warum die AfD für sie wählbar oder nicht wählbar ist, sollte dabei begründet werden. Die Moderation der spannenden Diskussion übernahm Theresa Lux (Fachstelle Asyl und Migration, Kulturbüro Sachsen e.V.).

Die Stimmen für die „guten“ und „schlechten“ Positionen der AfD haben sich gleichmäßig verteilt. Zustimmung der Teilnehmenden fanden das traditionelle Familienbild der AfD, die Abschaffung von Sanktionen gegen Russland, die Ablehnung von Frühsexualisierung, die Einführung von Elementen der direkten Demokratie und die Stärkung der Kontrollfunktion des Staates.

Es wurde angemerkt, dass die AfD eine effektive Werbekampagne vor der Wahl organisiert hat, um unter anderem russischsprachige WählerInnen mit der Hilfe von modernen sozialen Medien, wie z. B. Facebook und „Odnoklassniki“ anzusprechen und zu erreichen.

Zu den „schlechten“ Positionen der AfD wurden solche Themen positioniert, wie die Beschränkung der doppelten Staatsangehörigkeit, die Benachteiligung von Alleinerziehenden, die Änderung des Abtreibungsgesetzes, die Abschaffung des Geburtsortprinzips durch Abstammungsprinzip, wie es bis Jahr 2000 galt. Viele Positionen der AfD führen zur Ausgrenzung der Menschen, schüren Unsicherheit und sogar Ängste, spalten die Gesellschaft. Das gilt auch für Russlanddeutsche, obwohl manche von ihnen mit der AfD sympathisieren. Die Beschränkung der doppelten Staatsbürgerschaft auf wohlbegründete Sonderfälle, wie es im Programm der AfD steht, würden direkt viele von Russlanddeutschen, die zurzeit zwei Pässen haben, benachteiligen.
Es wurde bemerkt, dass die AfD keine deutliche langfristige Vision hat und in einigen Positionen rein populistisch ist.

Damit war die scharfe Diskussion zur AfD nicht beendet. Sie wurde vielmehr mit Hilfe der Methode „Fisch-Bowl“ weiter geführt. In einem Innerkreis (erlaubt war die Rede nur den drei Personen im Innenkreis) haben die TeilnehmerInnen über die Ursachen des AfD-Erfolges unter Russlanddeutschen debattiert. Zu diesen wurden unter anderem die folgenden Gedanken zum AfD-Erfolg formuliert:

  • Gute Werbung auf Russisch (das Parteiprogramm auf Russisch, Nutzung von sozialen Netzwerken mit der Verbreitung von gezielten Videos).
  • Aktive Einbeziehung von russischsprachigen Bürgern in die Partei, die sich dann als Multiplikatoren in den russischsprachigen Kreisen engagierten.
  • Eine klare Positionierung zu den Fragen, die besonders nah an den meist konservativen Einstellungen der Russlanddeutschen anknüpfen (traditioneller Familienbild, Abschaffung von Sanktionen gegen Russland, Ablehnung von Frühsexualisierung usw.)
  • Enttäuschung vieler Russlanddeutscher über die CDU-Politik (vor den Wahlen viel versprochen, im Ergebnis wenig wirklich verändert).
  • Die versprochene Perspektive für die Russlanddeutschen, seitens der AfD, sie aktiv in die Politik einzubeziehen (zwei Mandate im Bundestag für die Russlanddeutschen aus Kasachstan ist der höchste politische Erfolg der russischsprachigen MigrantInnen in der Geschichte Deutschlands).

Die Erprobung der Methode „Fisch-Bowl“ war eine sehr gute Übung für die TeilnehmerInnen und hat ihnen viel Spaß gemacht. Es ist beabsichtigt, solche spannenden Themen wie „AfD-Erfolge bei der Bundestagwahl“ auch bei den geplanten Fachgesprächen zu diskutieren, verknüpft mit der bevorstehenden sächsischen Landtagswahl 2019. Das Seminar hat neben dem großen Gesprächsbedarf auch gezeigt, dass es dringend erforderlich ist, über die Parteiprogramme der im Bundes- und Landtag vertretenden Parteien aufzuklären und deutlich zu machen, wofür diese stehen. An die Parteien erging das Zeichen, habt uns MigrantInnen im Blick. Wir sind Teil dieser Gesellschaft.

V. Steinhauer,
Leiter des Projektes „Kompetenz-Dialog-Teilhabe“

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